Wasser – ein begrenztes Gut
Eine Vielzahl von Brunnen stellte die Wasserversorgung der Gemeinde über die Jahrhunderte hinweg leidlich sicher. In den meisten Häusern befanden sich vom Grundwasser gespeiste Wasserstellen. Im Ort und nahebei spendeten mehrere Schöpfbrunnen Wasser, Pumpbrunnen dienten als Viehtränke. Am nördlichen Dorfrand unterhalb des Friedhofs lag ein Röhrenbrunnen, der Schießhausbrunnen. Dorfchronist Friedrich August Köhler vermerkt für 1838 am Ort nur einen einzigen laufenden Brunnen, den Lägelbrunnen zwischen den Gebäuden Hauchlinger Straße 9 und 11. Weil er spärlich floss, durfte nur mit Lägeln (das sind kleine, fässchenartige Behälter) oder Krügen Wasser entnommen werden. Das untere Rohr spendete laut Köhler „schweres und grünlichtes Wasser, das aus einer anderen nahen Brunnenstube kommt“.
Aus dem Vollen konnten die Nehrener aber nicht schöpfen: Die Wasserqualität der Brunnen war durchweg schlecht und die Schüttung sehr vom Wetter abhängig. 1572, 1689 und 1696 versiegten die Brunnen der strengen Kälte wegen. In trockenen Sommern trat so extremer Wassermangel ein, „daß Menschen und Vieh in Gefahr kamen, an Durst zu sterben“, schreibt Köhler. Am zuverlässigsten funktionierte selbst bei Dürre noch der Schießhausbrunnen.
Natürliche Quellen sind auf der Gemarkung Nehren selten. Einer von ihnen, der Quelle im Vollmersgraben beim heutigen Schützenhaus, schrieb man heilkräftige Wirkung zu und zapfte ihr Wasser ab. Mithilfe von hölzernen Teucheln (ausgebohrte Baumstämmchen; auch Deichel genannt), später mit Gussleitungen, leitete man es zu den Ventilbrunnen im Dorf. Noch 1905 ließ die Gemeinde diese Leitung für viel Geld erneuern. Aber die Schüttung deckte schon bald den Bedarf nicht mehr. Eine dauerhafte Lösung des Wasserproblems musste her.
Die Teuchelrose
Als Teuchelrose (Deichelrauße) wird ein kleiner Weiher bezeichnet, in dem zurechtgesägte Holzstämme zur Erhärtung und Durchwässerung gelagert wurden. In Nehren gab es eine solche am Beginn der heutigen Talstraße (Gewerbegebiet), wie aus den Ratsprotokollen hervorgeht. 1864/65 beschloss der Gemeinderat: „Es soll die Teuchelrauße wegen eingetretener Winterzeit geschütz und mit Stroh gedeckt werden und etwaß Holz darauf gelegt werden, daß das Wasser nicht so arg überfrührt.“
Neue Wege
Nehren hielt nach Partnern Ausschau und gründete 1919 mit den Nachbargemeinden Mössingen, Dußlingen und Ofterdingen den „Zweckverband Steinlach-Wasserversorgung“. Bis 1947 versorgte eine Wasserfassung auf Mössinger Gemarkung alle Verbandsgemeinden ausreichend.
Schon nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Wasserbedarf aufs Neue. 1955 lag er bei 80.000 Kubikmeter Frischwasser. Vor Ort ließen sich keine weiteren Wasservorkommen finden, aber im Neckartal bei Kilchberg. Zudem klinkte man sich beim „Zweckverband Bodenseewasserversorgung“ (BWV) ein, der 146 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg mit Trinkwasser aus dem Bodensee beliefert.
Der Wünschelrutengänger
Anfang 1950 suchte die Steinlach-Wasserversorgungsgruppe auf Nehrener Gemarkung nach Wasser. Bevor die wasserführende Schicht erreicht war, brach man die Grabung ab. Der Grund: Ein Wünschelrutengänger glaubte felsenfest, im Dußlinger „Amselenloch“ eine starke Wasserader aufgespürt zu haben. Zwar hatten einzelne Gemeinden so ihre Zweifel an der Sache. Dennoch gab man grünes Licht, um ein Riesenloch zu graben quer durch den gesamten unteren Schwarzjura bis hinab zum Knollenmergel. Der Wünschelrutengänger „spürte das Wasser schon in den Füßen“ und „hörte es rauschen“. Doch kein einziger Tropfen quoll, die Grabungen wurden eingestellt. Der Kommentar: „Die Wünschelrute hat sich als eine Art Leimrute erwiesen, an der etliche Geldscheine hängen geblieben sind.“
Nehrens Dorfbrünnlein heute
Von all den Brunnen, Brunnenstuben und Wasserstellen Nehrens sind heute nur noch zwei zu besichtigen: der Fischbrunnen und der Nodlabrunnen.
Der Fischbrunnen liegt in der Bahnhofstraße über der Brunnenstube des ehemaligen Wullebrunnens. Bildhauer Eduard Raach-Döttinger schuf den Brunnenstock. Das Brunnenbecken erstellte der Nehrener Maurermeister Georg Neth zusammen mit der Firma Garten-Moser, Reutlingen.
In zentraler Ortslage plätschert seit 1728 ein Brunnen in der Kappelstraße, der heutige Nodlabrunnen. Damit hier überhaupt Wasser floss, musste nicht nur gegraben, sondern gar Fels gesprengt werden, wie Köhler betont. Anfangs sah man „weiße und schwarze Fische, von denen man nicht wusste, wo sie herkamen und die zur Tiefe fuhren, wenn man die Eimer hinabließ“.
Der am Brunnentrog eingravierte Spruch gibt einen Hinweis auf den Necknamen der Nehrener:
„Naihremer Nodle, dia stechet so fei, se stecht enander ens Hemedle nei.“
Der Neckname verweist auf Nehrener, die einst als Stricker arbeiteten, aber auch auf Charaktereigenschaften der Ortsansässigen. Mit spitzer Zunge sollen sie dem Spott und der Stichelei zugeneigt sein, Schlagfertigkeit pflegen und der Lust am Widerwortgeben frönen.
Private Brunnen
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können heute noch folgende nicht zugängliche Brunnen bzw. Brunnenstuben genannt werden:
– gegenüber dem Gasthaus Schwanen
– der Luppachbrunnen (Hausbrunnen)
– in der Wertstraße (Hausbrunnen)
– zwei Brunnen in Hauchlingen zwischen Rathaus und Kirche, davon ein Viehbrunnen mit Trog und ein Trinkwasserbrunnen
– Im Bund
– In der Hofstatt
Auch der Feuersee in der Gomaringer Straße ist nicht zu besichtigen. Der unterirdische Wasserspeicher spendete einst Mensch und Tier Trinkwasser. Heute dient er als Löschteich und für Feuerwehrübungen (siehe Geschichtspfad Station 7).
Text: Herbert Hägele
Branntwein in Nehren
Zeitweise muss ein Hauch von Kirschgeist über dem Steinlachtal gewabert haben, besonders intensiv über Mössingen und Nehren. Die Nehrener machten das Branntweinbrennen vermutlich „denen von Messingen“ nach. Die Nachfrage nach Hochprozentigem hatten sehr wahrscheinlich Militäreinheiten geweckt, die etwa bei den französischen Revolutionskriegen über die Schweizer Chaussee durch das Steinlachtal zogen.
Ganz von Obstbaumwiesen umgeben
Basis für die Branntweinproduktion bildeten zahlreiche Obstbäume, das Dorf war „ganz von Obstbaumwiesen umgeben“. Im Oberamtsbezirk Tübingen hatten die Obstbaumwiesen in Nehren im Jahr 1867 mit einem Anteil von 6 Prozent der unbewaldeten Markungsfläche deutlich größeres Gewicht als andernorts, wo der durchschnittliche Anteil bei etwa 2 Prozent lag. Für den einzelnen Bewohner von Nehren standen 0,11 Morgen (ca. 3,5 Ar) Obstbaumwiese zur Verfügung, im Oberamtsbezirk durchschnittlich nur 0,03 Morgen (ein knappes Ar). Die Nehrener pflanzten beim Kernobst vor allem Mostsorten und beim Steinobst vor allem Zwetschgen und Kirschen an. Auf der Markung gab es 1951 noch 6.538 Apfelbäume, 2.416 Birnbäume, 2.762 Pflaumenbäume und 2.583 Kirschbäume.
Volle Keller
Um 1800 betrieben 15 Nehrener die Branntweinbrennerei und machten den Ort durch ihre Kunst bekannt – sehr zur moralischen Entrüstung des Ortspfarrers Köhler. Ihre Anzahl stieg in den 1820er-Jahren auf 50. Noch 1877 arbeiteten 14 Nehrener saisonal in dem Gewerbe. 1950 gab es nur noch eine Brennerei. Heutzutage lassen die Nehrener Obstbaumwiesenbesitzer im Lohn brennen. Jürgen Jonas hat für die Wende zum 21. Jahrhundert festgehalten: Wenn Nehren in Brand geraten sollte, leuchtet es blau über den Häusern. Der Grund: Manche Einwohner lagern locker 500 bis 800 Liter Schnaps im Keller.
Text: Wolfgang Sannwald