Vor rund 500 Jahren konnten die wenigsten Deutschen lesen und schreiben. Erst der Reformator Martin Luther (1483 – 1546) änderte dies. Er forderte 1524 von den „Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“. Dies gab dem Schulwesen in reformierten Landesteilen einen ersten Schub. Auch im Amtsbezirk Tübingen entstanden Schulen dieser Art.
Ein Meilenstein in der württembergischen Schulgeschichte ist die 1559 erlassene „Große Kirchen- und Schulordnung“, worauf Volksschulen in großer Zahl gegründet wurden. Anfangs war der Schulbesuch freiwillig, 1559 wurde er für die Jungen Pflicht, 1649 auch für Mädchen.
Nehrens erste Schulen
Seit wann Nehrens Kinder die Schulbank drücken, ist nicht bekannt. Schulunterricht vermelden die Akten erstmals 1559, mit Joachim Theling ist für das Jahr 1564 der erste Lehrer verbrieft. In einer Zeit, als Kinder dringend als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gebraucht wurden, war das Verhältnis der Eltern zur Schule allerdings zwiespältig.
„Weil schon damalen die Bauern den Schullehrer für eine sehr entbehrliche Sache hielten, so neckten sie ihn, unter anderem auch mit seinem Besoldungsholze und theilten ihm so knotigte Aichenstücke zu, daß bei Zerspältung derselben dem Gühner ein Splitter desselben das eine Auge ausschlug und ihn vor Zeit zu seinem Amte unfähig machte“, weiß Dorfchronist Friedrich August Köhler über Nehrens Schulmeister Johannes Gühner zu berichten, der 1690 bis 1702 seinen Dienst versah.
Etliche Schülergenerationen erhielten in der Privatwohnung der Nehrener Schulmeister Unterricht im Lesen, Schrei-
ben, Memorieren und Singen, natürlich auch in Religion, ordentliches Schulfach wurde Rechnen in Württemberg erst 1729. Im Jahr 1700 baute die Gemeinde unterhalb der Kirche (Abb. 1) unmittelbar an den Friedhof grenzend ihr erstes Schulhaus. Die Lage brachte entscheidende Nachteile: Um 1793 erhoben sich Klagen, wonach die Luft bei Regenwetter vom Verwesungsgeruch so verpestet sei, dass der Schulunterricht darunter leide.
1843/44 errichtete die Gemeinde in der Hauptstraße 32 ein neues Schulhaus. Den Neubau teilte sich die Schule mit dem Rathaus; auch die Lehrkräfte wohnten in der Schule. Dies waren der 1. Lehrer (zugleich Schulvorstand) mit seiner Familie, der 2. Lehrer, der Provisor und der Lehrgehilfe. Ebenfalls Tür an Tür mit dem Schulbetrieb: das Ortsgefängnis.
Umzug in die Wilhelmstraße
Um 1900 gingen bereits rund 200 Schulkinder in der Hauptstraße 32 ein und aus; längst waren die Kapazitätsgrenzen überschritten. Wieder stand ein Ortswechsel an: 1907/08 beschloss die Gemeinde einen Schulneubau in der Wilhelmstraße 7 mit vier Schulsälen, mit Handarbeitsraum und Zeichensaal sowie Lehrerzimmer und Nebenräumen (Abb. 3).
In den 1950er-Jahren erschloss Nehren neue Wohngebiete, wieder stieg die Schülerzahl stark an, wieder herrschte Raumnot. Auch eine Turnhalle vermisste man schmerzlich. Anfangs turnten die Kinder noch in den Klassenräumen. Ab 1959 fand der Sportunterricht für die 3. bis 8. Klasse
im Saal der Bahnhofswirtschaft statt. Schon Jahre zuvor hatten auch Gesang- sowie Turn- und Sportverein Raumbedarf angemeldet. So bündelte der Gemeinderat alle Wünsche und beschloss den Bau einer Turn- und Festhalle mit Lehrschwimmbecken. Das neue Schulhaus mit Turn- und Festhalle samt Lehrschwimmbecken, eröffnet am 13. März 1965, kostete die Gemeinde rund zwei Millionen DM.
Bis 1987/88 bestand ein Schulverbund mit der Nachbargemeinde: Der Unterricht für alle Fünft- und Sechstklässler fand in Ofterdingen statt, nach Nehren kamen die Klassen 7 und 8. Für den Ausbau zu einer vollständigen Grund- und Hauptschule rückten 1986 wieder die Bauarbeiter an: Man stockte das neue Schulhaus auf, renovierte das alte Gebäude und das Lehrschwimmbecken – Gesamtkosten rund 2,4 Millionen DM. Am 15. Oktober 1988 feierte Nehren die Eröffnung der neuen Räume. Seit 2002 trägt die Schule den Namen „Kirschenfeldschule“. Heute ist sie eine Ganztagesschule für Grundschüler mit eigener Mensa.
Text: Herbert Hägele