Der Flurname „Wörth“, „Wörd“ leitet sich vermutlich von „Wert“ ab. Damit bezeichnete man ein Stück Land am Wasser, z. B. an Flüssen, das einen hohen Weidewert hatte. Möglicherweise bezieht sich der Name auch auf ein Wehr, das an der Wette gelegen haben könnte. Aber wo ist das Wasser geblieben? Der Luppach lief früher auf der Achse Garten-/Luppachstraße durch die bis ca. 1840/50 offene Wette hindurch, um dann ungefähr in der Gegend der heutigen Wertstraße unverdolt weiter über das einst freie Feld zum Obwiesbach zu fließen.
Der Feuersee
Unter der Wiese vor den Garagen liegt der unterirdische Feuersee. 15 bis 20 Stufen führen in dieses Wasserreservoir hinab. Es ist noch heute mit Wasser gefüllt und wird als Löschteich sowie für Feuerwehrübungen genutzt. Je nach Zulauf fasst der See um die 150 000 Liter Grundwasser.
Sauber in den Schiefer eingehauene, mit Steinplatten abgedeckte Kanäle dienten der örtlichen Wasserversorgung. Sie wurden beim Gasthaus Löwen, wo sich „in alter Zeit“ eine Brunnenstube befand, bei Grabarbeiten angeschnitten, führten aber kein Wasser mehr. Helmut Berner vermutet 1954 in seiner Dorfbeschreibung: „Möglicherweise wird der Feuersee im ‚Wörth‘, der auch bei Einsatz mehrerer Motorpumpen nicht leerzukriegen ist, heute noch durch solch eine unterirdische Leitung gespeist.“
Bevölkerungsanstieg mit Folgen
In diesem Bereich Nehrens, dem sogenannten „Wörth“, fallen die vielen kleinen Häuser auf. Diese „einstockigten Wohnhäusle“ gehörten Menschen, die schlecht bezahlten Handwerken nachgingen. Insbesondere mehrere Weber werden genannt. Kaum vorstellbar, dass vielköpfige Familien auf so engem Raum lebten. Es ist selten, dass solche ehemaligen Taglöhner- und Weberhäuser die Zeiten überdauerten. Oft genug hat man sie abgerissen. Heute zeugen sie von einer wichtigen Umbruchzeit in der Ortsgeschichte.
Noch bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnten sich die etwa 700 Nehrener fast ausschließlich von der Landwirtschaft ernähren. Steigende Bevölkerungszahlen – um 1800 war die 1000er-Grenze überschritten – führten jedoch dazu, dass die Erträge von Grund und Boden nicht mehr zur Versorgung aller ausreichten. Eine Folge war eine Versechsfachung der Zahl der Gewerbetreibenden. Insbesondere „Armenhandwerke“ wie die Heimweberei prosperierten. 1701 werden fünf Weber genannt, 1729 zehn, 1819 sind es 30 und um 1830 bereits rund 50. Sogenannte Verleger stellten den Webern die Rohstoffe zur Verfügung und ließen die Handwerker in ihrem Auftrag arbeiten. Bei dieser Produktionsform blieb den Webern wenig zum Leben.
Zu den Gewerbetreibenden und Handwerkern gehörten außerdem Maurer und Zimmerleute. Sie arbeiteten vor allem als Saisonarbeiter und waren „im In- und Ausland stets beliebt“.
Eine andere Folge der Überbevölkerungskrise war die Zunahme von Armut und Bettelei. So drängten vermehrt Bettler aus Dußlingen, Eningen unter Achalm und Lützenhart (Waldachtal) in den Ort. Bei der Beerdigung eines Landstreichers im Februar 1792 sollen über 30 Vaganten den Sarg begleitet haben. Weiter vermerken die Ortsakten, dass die zehn Nehrener Armen seit 1721 im Dorf offiziell betteln durften. 1730 betrug die Zahl der Ortsarmen bereits 27.
Das Armenhaus
Im „Wörth“ bei den „Krautgärten“ unterhielt die Gemeinde ein Armenhaus. Es diente auch der zeitweiligen Aufnahme von ortsfremden Armen. In der Flurkarte ist es das mit Nr. 86 bezeichnete Haus. Dieses wurde 1710 erbaut. Doch es muss zuvor schon ein Armenhaus gegeben haben, wenngleich sein Standort nicht mehr bekannt ist.
1634 ist erstmals von ihm die Rede, Fremde und Arme, heißt es, seien hier gestorben. In dieser Zeit machte sich der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) massiv im Württembergischen bemerkbar. Württemberg unterlag den kaiserlichen Truppen in der Schlacht bei Nördlingen und „nach derselben überschwemmten die siegenden Feinde ganz Schwaben“. Über ganz Nehren kam „Krieges Jammer“: Feindliche Söldner zogen plündernd und brandschatzend durch Dorf und Felder, hausten „unmenschlich“, ja schonten selbst Schwangere nicht. Seuchen breiteten sich aus, Elend und Not waren groß. Zwei Drittel der Bewohnerschaft der Steinlachorte waren kriegsbedingt umgekommen, „beinahe kein Stück Vieh war mehr übrig“, vermerkt Nehrens Chronist Friedrich August Köhler fürs Jahr 1648.
Text: Herbert Hägele und Wolfgang Sannwald
Der Wald erholt sich
So schlimm die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, vor allem der große Bevölkerungsverlust, auch waren, für den Wald bedeutete er einen Segen.
Noch im 16. und frühen 17. Jahrhundert, also bevor der Krieg auch das Steinlachtal erreichte, waren die Bauholzbestände vor Ort dramatisch zurückgegangen. Dies kompensierten die Nehrener durch den Import von Floßholz aus dem Schwarzwald.
Der Einbau von Floßhölzern in den Wohnhäusern Hauchlinger Straße 26 (um 1600), Kappelstraße 15 (1627) sowie in den Scheunen Hauchlinger Straße 24 (um 1600) und Hauptstraße 8 (1603) zeigt dies deutlich.
Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 jedoch schlugen die Kriegshandlungen auf unsere Region mit voller Wucht durch.
In der Folge kam das regionale Baugewerbe hier für mehrere Jahrzehnte fast vollständig zum Erliegen. Die stark dezimierte Bevölkerung benötigte auch nur noch wenig Brennholz, sodass sich jetzt die lokalen Wälder etwas regenerieren konnten. Bei den ersten Neubauten nach Kriegsende konnte somit auf den Import von Floßholz verzichtet werden. Erst als nach 1700/1720 die Bevölkerungszahl das Vorkriegsniveau erreichte und der Holzverbrauch deutlich anstieg, finden sich auch in Nehren wieder geflößte Nadelhölzer aus dem Schwarzwald.
Text: Tilmann Marstaller